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04.11.2025
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Das FernUSG, ein Gesetz aus der Ära gedruckter Lehrbriefe, ist zwar schon über 50 Jahre alt, heute aber (leider) so relevant wie eh und je. Bei der Verabschiedung des Gesetzes 1976 war klar, um welche Angebote es sich handelt – eben um die per Post versandten Lehrbriefe. Das Gesetz wurde mit der Weiterentwicklung der Formate allerdings nicht angepasst und lässt sich auf das heutige Angebot kaum noch anwenden. Was als sinnvolles Verbraucherschutzgesetz begann, ist heute ein bürokratischer Hindernislauf. Mit dem jüngsten Urteil des Bundesgerichtshofs wird nun endgültig klar: Das Gesetz stößt an seine Grenzen. Dieser Kommentar zeigt, wie unterschiedlich selbst die Gerichte das Gesetz auslegen, warum das neue BGH-Urteil die Probleme verschärft und weshalb das FernUSG dringend reformiert oder ganz abgeschafft werden muss.
Das FernUSG schafft aktuell vor allem eins: Verunsicherung. Seit den 70er Jahren hat sich die Welt deutlich verändert und weiterentwickelt, besonders im Bereich der Wissensvermittlung. Ein 50 Jahre altes Gesetz 1:1 in der digitalen Ära anzuwenden: gar nicht so einfach. 
Viele Anbieter wissen deshalb nicht, ob ihr Produkt unter die Zulassungspflicht fällt oder nicht. Und selbst die Gerichte des Landes sind sich uneinig, wie das Gesetz heutzutage auszulegen ist, und so wurden immer wieder widersprüchliche Urteile gefällt. Zur Verdeutlichung führen wir beispielhaft einige Gerichtsurteile aus der Vergangenheit auf: 
Die wohl banalste Frage ist: Was zählt überhaupt als Fernunterricht? Die Gerichte sind sich uneins:
Zwei identische Formate, zwei gegensätzliche juristische Bewertungen. Solange sich sogar die Gerichte nicht einig sind, ob eine digitale Begleitung Beratung oder Unterricht ist, kann kein Anbieter verlässlich planen. 
Unsere Forderung:
Der Anwendungsbereich des FernUSG sollte auf formale Lehrangebote mit Abschlussprüfung und benotetem Zertifikat beschränkt werden. Reine Beratungs- oder Begleitprogramme ohne Prüfungscharakter dürfen nicht als Fernunterricht gelten. Nur so bleibt Verbraucherschutz erhalten, ohne Innovation und moderne Weiterbildungsangebote auszubremsen.
Ein zentraler Aspekt im FernUSG ist die räumliche Trennung und asynchrone (also zeitlich versetzte) Vermittlung von Inhalten. Aber wann gilt das als gegeben? Die Gerichte argumentieren unterschiedlich:
Programme, die ähnlich aufgebaut sind, können also in Stuttgart als fern, in Nürnberg wieder als nah gewertet werden. Das Ergebnis: Schrödingers Fernunterricht; gleichzeitig fern und nicht fern. 
Unsere Forderung:
Der Gesetzgeber sollte eine zeitgemäße Definition von räumlicher Trennung schaffen: Unterricht zählt nur dann als „fern“, wenn kein synchroner, interaktiver Austausch möglich ist. Live-Formate mit direkter Kommunikation dürfen dagegen nicht automatisch als Fernunterricht gelten. So wird deutlich, dass digitale Nähe etwas anderes ist als räumliche Distanz.
Ein weiteres Merkmal für die Zertifizierungspflicht ist die Lernerfolgskontrolle. Doch auch hier sind sich Gerichte uneinig, was als Kontrolle gilt und was nicht:
Im Umkehrschluss heißt das: Niemand weiß, wo eine Lernerfolgskontrolle beginnt. Zählen einfache Verständnisfragen oder doch nur klassische Tests? Ein Kriterium, das eigentlich Qualität sicherstellen soll, schafft so genau das Gegenteil: Anbieter vermeiden aus Angst vor der Zertifizierungspflicht auch kleinste Rückfragen und verlieren so an Kundenfreundlichkeit. 
Unsere Forderung:
Nur Angebote mit objektiver Leistungsbewertung durch den Anbieter sollten unter das FernUSG fallen. Teilnahmezertifikate, Feedbackgespräche oder Rückfragen zum Inhalt sind keine Lernkontrolle im Sinne des Gesetzes. Dafür muss der Begriff „Überwachung des Lernerfolgs“ gesetzlich präzisiert werden: Zum Beispiel so, dass sie nur dann vorliegt, wenn der Wissenszuwachs durch den Lehrenden bewertet wird.
Eine Frage, die immer wieder aufkommt, ist, ob das FernUSG ausschließlich für Verbraucher gilt. Bis zu den Urteilen vom BGH war es fraglich, ob das FernUSG auch auf B2B-Verträge anwendbar ist. Auch hier waren sich die Gerichte lange nicht einig:
Das führt zu absurden Ergebnissen: Würden ein Unternehmer und ein Verbraucher dasselbe Programme nutzen, könnten sie unterschiedliche ANsprüche geltend machen.
Unsere Empfehlung:
Das FernUSG muss klar auf Verbraucherverträge (B2C) beschränkt werden. Unternehmerische Weiterbildungen gehören nicht in ein Verbraucherschutzgesetz. Für B2B-Verträge gelten längst andere Regeln, zum Beispiel das Gewährleistungs- und AGB-Recht.
Auch der Bundesgerichtshof hat sich in seinem neuesten Urteil vom 2. Oktober 2025 (III ZR 173/24) nicht wirklich festgelegt und sieht die Bringschuld eher bei den Anbietern der Programme. Das zeigt abermals, wie das Gesetz an seiner eigenen Unschärfe scheitert.
Geht man nach dieser Entscheidung, wird praktisch jede Form digitaler Wissensvermittlung unter das FernUSG gefasst; selbst praxisnahe Programme, die von klassischen Unterrichtsformate meilenweit entfernt sind.
Damit bestätigt der BGH außerdem unfreiwillig, wie dringend der Gesetzgeber handeln muss: Wenn ein Gesetz wegen fehlender Klarheit so weit ausgelegt wird, dass es quasi alle modernen Lernformate erfasst, ist es schlicht an sich selbst gescheitert. 
Politisch bedeutet das Urteil: Jetzt ist der Moment, das FernUSG endlich ins digitale Zeitalter zu holen – oder es abzuschaffen.
So könnte auch den neueren Geschäftspraktiken Einhalt geboten werden, die genau diese Unklarheit zu ihrem Vorteil nutzen und die Anfechtung von Verträgen als Geschäftsmodell entdeckt haben.
Das FernUSG war ein wichtiges Gesetz – vor 50 Jahren. Heute erzeugt es Unsicherheit, verhindert Innovation und schafft Wettbewerbsnachteile für deutsche Anbieter. Wenn der Gesetzgeber dennoch daran festhalten will, muss er es endlich in die Gegenwart holen. Ein Gesetz aus der analogen Ära darf nicht bestimmen, wie informelle Bildung im Jahr 2025 funktioniert. Was bleibt, ist ein klarer Auftrag: Bürokratie abbauen, Rechtssicherheit schaffen und Innovation zulassen.
Unsere Forderungen zum FernUSG
Das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) stammt aus dem Jahr 1976 – einer Zeit, in der Lerninhalte noch als Papierner Lehrbrief per Post verschickt wurden. Nun muss das Gesetz endlich an die digitale Realität und den heutigen Verbraucherschutz angepasst werden. In diesem Artikel erklären wir die Herausforderungen und was wir von einer möglichen Reform fordern.

Autorin
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