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Valentina Ortmann, Reputation Copy & Blog Strategist bei Digistore24

Autorin

Valentina Ortmann

Reputation Copy & Blog Strategist

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Realitätsfern: Wie das FernUSG die digitale informelle Bildung bremst 

03.11.2025

3 Min. Lesezeit

Eine Hand hält ein iPad und darüber schwebt ein Gehirn

Deutschland steckt in einem Dilemma zwischen analoger Vergangenheit und digitaler Zukunft. Besonders in der Wissensvermittlung und bei der Qualifizierung von Fachkräften wird deutlich, wie dringend das Land neue Wege gehen muss. Schon heute fehlen über 530.000 Fachkräfte – und das nicht nur in der Pflege oder im Handwerk, sondern in nahezu allen Berufsgruppen. 

Gleichzeitig verändern sich Berufsbilder rasant: Digitalisierung und Künstliche Intelligenz schaffen ständig neue Anforderungen und verlangen nach aktuellen digitalen Kompetenzen, technologischem Verständnis und der Bereitschaft, sich kontinuierlich neues Wissen anzueignen. 
Klassische Präsenzformate können diese Dynamik längst nicht mehr allein abbilden. Immer wichtiger werden daher digitale Lernformen, die es ermöglichen, flexibel und praxisnah auf neue Entwicklungen zu reagieren – etwa beim Erlernen von KI-Anwendungen, Automatisierungstools oder moderner Kommunikations- und Datenkompetenz.

Die Rolle des FernUSG

Ausgerechnet das Gesetz, das diesen Bereich regelt, stammt aus einer anderen Ära. Das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) wurde 1976 verabschiedet, als Fernkurse noch als Brief per Post verschickt wurden. Heute dominieren zwar Videokonferenzen, hybride Lernmodelle und Online-Plattformen, doch die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind quasi unverändert geblieben und legen den Anbietern umfassende Pflichten auf.

Das veraltete FernUSG sorgt in der jungen Branche der digitalen Wissensvermittlung für Rechtsunsicherheit: Selbst innerhalb Deutschlands ist unklar, wann eine Zertifizierung tatsächlich erforderlich ist und welche Angebote unter das Gesetz fallen. Diese Unsicherheit trifft besonders kleinere, innovative Anbieter, die sich inmitten hoher bürokratischer Auflagen und dem Risiko rechtlicher Konsequenzen wiederfinden.

„Ein 50 Jahre altes Gesetz trifft auf die digitale Realität und führt den Verbraucherschutz dabei ad“, sagt Simon Hofer, Head of Legal bei Digistore24. „Es zwingt digitale Anbieter in eine analoge Bürokratie, die längst nicht mehr in unsere Zeit passt. So wird Innovation verhindert, statt gefördert.“

Auch der faire Wettbewerb leidet unter den veralteten Regelungen. „Das Gesetz schwächt den deutschen Markt für digitale Wissensvermittlung und verschafft ausländischen Anbietern einen klaren Vorteil“, ergänzt Hofer. „Die Leidtragenden sind am Ende die Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihre Ansprüche im Ausland nur unter erheblichen Erschwernissen durchsetzen können.“

Hinzu kommt: Selbst in Fällen, in denen Anbieter eine Zertifizierung anstreben, herrscht keine Klarheit. In den vergangenen Jahren haben Gerichte (zuletzt auch der Bundesgerichtshof) widersprüchlich darüber entschieden, ob ein digitales Lernangebot ohne Zulassung durch die „Zentralstelle für Fernunterricht“ (ZFU) zulässig ist. Mal mussten Anbieter hohe Summen zurückzahlen, mal gaben die Richter den Anbietern recht. Solange diese Rechtslage nicht eindeutig geregelt ist, bleibt die digitale Wissensvermittlung in Deutschland auf unsicherem Boden – mit spürbaren Folgen für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.

Die ZFU und das FernUSG

Was in der Praxis schief läuft, zeigt aber auch ein Blick auf die zuständige Behörde ZFU. Sie soll alle Kurse prüfen, die unter das FernUSG fallen. Allerdings kommen die rund 17 dort beschäftigten Mitarbeiter schon jetzt kaum hinterher. So sind bis heute nur rund 4.500 Kurse zugelassen. In einer Branche, in der Geschwindigkeit zählt, sind die dadurch anfallenden Bearbeitungszeiten von drei bis sechs Monaten für eine Kurszulassung jedoch längst zu einer traurigen Normalität geworden. 
Besonders brisant: Während dieser Zeit dürfen Anbieter ihre Angebote nicht verkaufen – mit teils existenzbedrohenden Folgen, insbesondere im Wettbewerb mit ausländischen Anbietern, die sich gar nicht erst um eine Zertifizierung bemühen.

Wie eine Reform hilft

Um diese Herausforderungen zu lösen, ist der Gesetzgeber gefordert, für eine umfassende Reform des Fernunterrichtsschutzgesetzes zu sorgen oder dieses, wie von namhaften Anbietern der Branche aber auch von politischen Akteuren wie dem Normenkontrollrat gefordert, in Gänze abzuschaffen.

Zwar ist eine Modernisierung des Gesetzes im Koalitionsvertrag verankert, doch bislang ist wenig geschehen. Um die digitale Wissensvermittlung zukunftsfähig zu gestalten, braucht es endlich klare und zeitgemäße Rahmenbedingungen:

  • Der Anwendungsbereich des FernUSG muss klar definiert sein und sich dabei auf Angebote mit formaler Prüfung und zertifiziertem Abschluss beschränken.  
  • Freizeit- und Hobbylehrgänge müssen künftig von der Zulassungspflicht ausgenommen sein. Auch die geltende Anzeigepflicht sollte gestrichen werden.
  • Doppelstrukturen müssen abgebaut werden. Private Hochschulen etwa durchlaufen ohnehin aufwendige Akkreditierungsverfahren, sodass eine zusätzliche Prüfung durch die ZFU obsolet ist. 
  • Zugleich sollte ein gestuftes Zulassungsmodell eingeführt werden: Kleinstangebote sollten künftig ganz ohne Zulassung auskommen, zeitlich begrenzte Kurse könnten einem vereinfachten Verfahren unterliegen, und nur langfristig angelegte Programme sollten einer umfassenden Prüfung unterzogen werden.

So bliebe der Verbraucherschutz gewahrt, ohne die Branche zu blockieren. Schließlich gibt es längst moderne Schutzmechanismen, etwa durch die EU-Richtlinie für digitale Inhalte oder das Gesetz für faire Verbraucherverträge. Sie sichern Verbraucherrechte bereits heute umfassend ab.

Das FernUSG hat einst Pionierarbeit für den Verbraucherschutz geleistet. Heute hemmt es die Weiterentwicklung der digitalen Wissensvermittlung, die für die Zukunft des Standorts Deutschland entscheidend ist. Von politischer Seite heißt es nur, dass man die Novellierung des Gesetzes prüfe. Einen festen Zeitplan gibt es dafür nicht. Die Rechtssicherheit für digitale Lernangebote droht, weiter auf sich warten zu lassen – wie viele andere Digitalprojekte auch. Ob die Politik den Mut findet, das Gesetz grundlegend zu modernisieren, wird darüber entscheiden, ob Deutschland bei der digitalen informellen Bildung aufholt oder noch weiter zurückfällt. Oder wie Hofer es formuliert: „Das FernUSG schadet dem Verbraucherschutz mehr als es ihm nützt. Wir brauchen endlich klare Regeln, die Innovation ermöglichen, statt sie zu behindern“.

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Valentina Ortmann, Reputation Copy & Blog Strategist bei Digistore24

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